Ayurveda trifft Waldbaden – Lass das mal weg
Holy Shift – 24.2.24. VIRGO FULLMOON: A new Era of Me
Schon die anderthalbstündige Fahrt vom Flughafen ins Hotel fühlt sich behütet, kostbar und privat an. Der Shuttle aus Prag gleitet über die Autobahn durch den Regen und schlängelt sich durch endlose Apfelbaumalleen. Nach der Ankunft im Svata Katerina Resort wird das Gepäck direkt auf mein Zimmer gebracht. Es hat eine Balkontür, die zu einer großzügigen Terrasse mit Blick auf Tal, Teich und Tannen führt. Die Möbel sind Sri-Lanka-Style, vielleicht ein indisches Hochzeitsbett oder sowas in der Art. Es ist luxuriös warm, auch im Badezimmer. Unten im Restaurantbereich werde ich bereits erwartet. Wir sind vier Frauen, die über ein verlängertes Wochenende angereist sind, um uns innerlich etwas aufzupolieren, zur sogenannten Rejuvenation-Kur. Während wir begrüßt und über die Abläufe der folgenden Tage aufgeklärt werden gibt es warmes Wasser, das abgekocht in großen Thermoskannen auf dem Tisch steht. Wir konsumieren es in den nächsten Tagen maßlos.
Ich bin nicht so gut im Verzicht üben. Ganz gleich um welche Angewohnheit oder Substanz es geht. Andere wachsen durch Askese und Disziplin über sich hinaus und entwickeln Gefühle der Erhabenheit. Ich nicht. Bei mir sind die inneren Widerstände gewaltig. Schon ein Vier-Tage-andauernder Koffein-Entzug löst bei mir Trübsinn, Nervosität und fast schon Ekel aus. Ich benehme mich kindisch, quengelig und nicht besonders würdevoll, wenn ich am Anfang einer Entwöhnung stehe. Ein guter Grund genauer hinzusehen. Wieso bin ich so gierig auf ständige Zufuhr von außen? Was fehlt mir, wo ist der Mangel, den ich in einer Tour stopfe?
Wir schlafen im Haupt-, also alten Hotelgebäude, morgen früh geht es nach dem Frühstück direkt in den super modernen Ayurveda Pavillon, ein paar hundert Meter weiter übers Gelände. Ich lustwandele die nächsten Tage mit einem zum Turban verschlungenen Handtuch auf dem Kopf zwischen diesen beiden Welten hin und her, was ein Erhaschen von betörendem Waldaroma ermöglicht und sich sehr vornehm anfühlt.
Das ayurvedische Frühstück ist ein Mix aus warmen, breiartigen Speisen, appetitlich in kleinen Schälchen angerichtet. Auch das Mittag- und Abendessen ist sättigend und abwechslungsreich, aufregend gewürzt und wohltuend. Wir sitzen im Speisesaal zusammen mit den anderen Gästen, die normal essen, und ich schmachte zu dem duftenden Milchkaffee gegenüber.
Die Kombi Ayurveda trifft Waldbaden und zwar in Tschechien törnt mich total an. Vor der Kulisse eines jahrhundertealten Luftkurorts mit eigener Quelle und Kapelle sehe ich Aschenbrödel auf einem weißen Einhorn vorbei galoppieren durch das Gelände eines internationalen Resorts mit Golfplatz, Reitstall, Tennisplätzen und einem (okay, nachgebauten) Druiden-Steinkreis, der zu kosmischen Transformationen aller Art einlädt. Mehr geht echt nicht.
Und, die praktischen Vorteile einer solchen Kur in Europa liegen auf der Hand. Kein Jetlag, keine Impfungen, kleine Klimaumstellung, keine neuen Adapter.
Wir sind mitten in der allerschönsten, unberührten Natur im böhmisch-mährischen Hochland auf 730 m Seehöhe umgeben von Wäldern und Heilquellen und der reinsten Luft der Tschechischen Republik. Ich vermisse meinen Hund, fühle mich wie eine Verräterin, als ich meine ersten kleinen Wanderungen ohne sie drehe. Ich latsche ohne Handy mit einer ausgedruckten Karte los, vibriere vor Glück und weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Es gibt hier übrigens Zimmer, auf denen Hunde erlaubt sind, ich komme also wieder, sowieso.
Der erste Tag im Pavillon lässt meine Glücksgefühle ungezügelt purzeln. Ängste, Trauer, Schmerz, wie weggeblasen. Angenehm. Das hier ist europäisches Ayurveda auf höchstem Niveau, keine Frage. Das hölzerne Gebäude und Epizentrum der High-End-Heilung thront auf mächtigen Granitsäulen, die aus einem nahegelegenen Steinbruch stammen. Der Architekt Jakub Tejkl hat diverse Preise eingeheimst dafür. Die riesigen Glasfronten an drei Seiten bieten Blick auf den angrenzenden Wald, ein asiatisch bepflanzter Meditationsgarten mit Hindu-Statuen, sowie eine Sonnenterrasse locken mich mit luxuriöser, wasserquellenplätschernder Ästhetik. Alles hier wurde nach der alt-indischen Bautradition Vastu gestaltet. Ähnlich wie beim Feng-Shui geht es dabei darum lebendige, heilende Räume zu schaffen, die den Menschen bei seinem Wachstum unterstützen und Gesundheit und Wohlstand sichern. Hat geklappt. Ich fühl mich Bombe.
Im Inneren des Pavillons erwarten mich ein erstklassiger Spa-Bereich, mit Schwimmbecken, das Wasser wird gespeist aus der St. Katherina-Heilquelle, natürlich, Saunen, Whirlpools, sechs Behandlungsräumen und hoch qualifiziertem Personal, direkt aus Indien abgeworben. Ich erkenne diesen würzigen Duft, der in der warmen Luft liegt. Es riecht köstlich vertraut nach Heilung und Ayurveda. Bei der obligatorischen Konsultation mit Dr. Nimi bekomme ich meine individuellen Empfehlungen: Viel Wärme. Immer schön warm anziehen. Zwei, drei Liter warmes Wasser und möglichst drei warme Mahlzeiten am Tag. Macht absolut Sinn. Ich glühe grundsätzlich auf vor dem Kamin, in der Sonne oder Sauna, unter dicken Daunendecken, mehreren Schichten Cashmere, Massagen mit angewärmten Ölen oder in engen Umarmungen.
Das Thema Sucht begleitet mich während der ersten 24 Stunden aufdringlich. Ich notiere genau wann mein Craving größer und wann es erträglicher wird. Dabei geht es hier nur um Koffein und Zucker, aber mein Körper schreit laut nach diesem Gift, das er nicht braucht. Schlimm ist es, wenn ich hypnotisiert aufs Handy starre, ich reduziere also Screentime von 3.30 h täglich auf 20 Minuten. Während der Öl-Massagen verschwindet jegliche Qual interessanterweise gänzlich und das Leben ist ein Curtis Mayfield-Song.
Ayurveda bietet Lösungen für alle Probleme, die Shootingstars sind Verbesserung der Gesundheit und Gewichtsreduktion. In vier Tagen kann ich natürlich nur reinsteppen, für eine richtige Panchakarma-Kur bräuchte ich mindestens zwei, drei Wochen. Aber ich habe „Dein Neuanfang mit Ayurveda“ von Dana Schwandt und alles was ich online finden konnte von Dr. Janna Scharfenberg gelesen. Es sind Baby-Steps, die gut helfen, so wie das warme Wasser und die konsequenten Pausen zwischen den Mahlzeiten. Das Thema ist komplex, aber ich fühle, dass hier Erlösung liegt.
Die meisten Menschen, die ich kenne, sind nach irgendwas süchtig. Nicht nur nach Alkohol, Drogen, Zucker und Bildschirmzeit, auch nach Aufmerksamkeit, Fame oder monetärer Sicherheit. Manche sind süchtig nach Kontrolle, andere nach Wellness und verwöhnen sich fast manisch selbst. (Die geilste Sucht) Viele müssen ständig konsumieren oder jiepern nach permanenter Ablenkung, um niemals in diesen Ruhemodus zu geraten, in dem die Stimmen lauter werden, die alles in Frage stellen. Alles menschlich. Ich starte die ersten Tage mit erst zwei- dann vierhändigen Ganzkörpermassagen auf den authentischen und extra für diesen Ort angefertigten Massageliegen aus Mahagoniholz. Mein heutiger Therapeut spricht indisch englisch, ist vielleicht 25 und die Ruhe selbst. Er weiß was er tut. Es sind kräftige, wohltuende Griffe mit einem auf mein Dosha abgestimmtem Kräuter-Öl. Mit Wucht rauscht tiefes Wohlgefühl durch meine Adern. Das gehört ziemlich sicher zu den Dingen, die ich jedem Außerirdischen als erstes hier on Planet Earth empfehlen würde. An Tag drei steht Shirodhara auf dem Programm, der Stirnguss. Hierbei liegt man rücklings ausgestreckt mit abgedeckten Augen auf einer Liege und ein feiner Strahl erwärmtes Öl fließt gleichmäßig über die Stirn, zwischen Augenbrauen und Haaransatz, da wo sich das dritte Auge befindet, Punkt von Intuition, Seele und Bewusstsein, der so ganz hervorragend stimuliert wird, eine Stunde lang. Man gerät in einen äußerst angenehmen, meditativen, seligen Zustand, indem man nichts anderes mehr vermisst.
Den letzten Abend verbringen wir Ladys in Open-Air-Jacuzzis, in denen zwei von uns wahnsinnig un-ayurvedisch Champagner nippen. Während wir also im blubbernden Heilwasser unter dem Vollmond plantschen haben wir Blick auf den Wald und unerhört euphorische Stimmung. Diese steigert sich am nächsten Morgen ins Unermessliche, als ich einen kleinen Ausritt ins Gelände wage. Die Abwesenheit von negativen Gefühlen und das von wilder Freiheit hält wochenlang an. Als hätte ich einen Tropfen köstlichen Unsterblichkeits-Nektar gekostet.
https://www.neuewege.com/resort-svata-katerina-beim-ayurveda-der-stille-des-waldes-lauschen_4CZP0101